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Jasmin Kehr
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Nutzerfreundlichkeit vs. Conversion-Optimierung: Booking.com im Usability-Check

Konversion steigern, aber das Nutzerlebnis gleichzeitig maximal positiv gestalten: Nicht immer einfach. Anhand des Reisebuchungs-Riesen booking.com erklären wir, wo Business- und Nutzeranforderungen aufeinandertreffen und wie sie zusammenfinden können. 

Wer verkauft, hat Recht.
… oder?
 
Die Definition des Trade-Offs zwischen guter Usability und hohen Konversionsraten führt auch innerhalb des Userlutions-Teams immer wieder zu regen Diskussionen. Der Auslöser: die Reisebuchungsseite booking.com.
Ein Blick und ein paar Klicks auf der Seite und schnell hören wir uns Begriffe nutzen wie „schlechte User Experience“, die wir im häufigen Einsatz aggressiver Persuasivtechniken auf den Angebotsseiten begründet sehen. UX-Plädoyer um jeden Preis, weil Usability-Expertise unsere Profession ist? Weit gefehlt, denn auch in unseren Reihen finden sich Fürsprecher der konversionsstarken Seite, die nicht umsonst Marktführer für Hotelbuchungen ist.
Was ist nun aber empfehlenswert? Was stellt sowohl den Nutzer als auch den Unternehmer zufrieden?

Usability-Tests ergeben gemischtes Stimmungsbild

Um die Diskussion über Usability und Conversion-Optimierung fachlich fundiert, statt subjektiv geladen führen zu können, haben wir die mobile sowie die Desktop-Seite des Reise-Bookers einem User-Test unterzogen. Unsere UX-Spezialisten haben die gewonnenen Nutzerstimmungen analysiert und in folgende Kategorien geclustert:
 

Interface-Erscheinungsbild:

  • die Seite verfügt über viele hochwertige und aussagekräftige Bilder, Kundenbewertungen auf den ersten Blick und ein farbenfrohes Design
  •  mehrere Schriftarten und –größen sorgen subjektiv für Überladenheit, viele Informationen werden auf einmal präsentiert („Echt ein wenig erschlagend, muss ich sagen!“ – RapidUsertester, 20 Jahre) , eine unübersichtliche Organisation der Fakten erschwert Angebotsvergleiche

Psychisches Erlebnis:

  • Persuasivtechniken wie suggerierter Zeitdruck („Tolles Schnäppchen heute) oder Knappheit („Nur noch 1 Zimmer auf unserer Seite verfügbar“) bewirken bei manchen Nutzern den Ehrgeiz, das Angebot rechtzeitig zu ergattern.
  • häufige Verwendung derselben Techniken sorgt dafür, dass sich Nutzer manipuliert fühlen und mit Abwehrreaktionen reagieren („Das sind doch alles Dinge, die mich gar nicht interessieren!“ – RapidUsertester, 20 Jahre)

Weitere Stärken:

  • Navigation der Seite fasst die Angebote gut zusammen
  • Rezensionen geben Gefühl von Sicherheit
  • initiale Buchungsmaske wird als positiv und intuitiv bewertet und ermöglicht sofortigen Einstieg in das Sucherlebnis
  • Checkout inklusive Registrierung durch voreingegebene Daten unkompliziert
  • Mouse-Over-Effekte erklären Icons oder Kriterien und tragen zu verbesserter Navigation bei (Desktop-Tests)

 

Weitere Kritikpunkte:

  • Filtermöglichkeiten wirken überladen (insbes. mobil) und Kriterien werden als willkürlich und unvollständig wahrgenommen (z. B. kann nach „Privater Strand“, aber nicht nach nah gelegenen „Einkaufsmöglichkeiten“ gefiltert werden)
  • einige Suchmöglichkeiten bleiben teils gänzlich unentdeckt (integrierte Google Maps-Suche mit Ergebnisanzeige)
  • bei Eingabe der Suchbegriffe in die Buchungsmaske „versorgt“ (tatsächlich: verwirrt) diese teils live mit Vorschlägen konkreter Hotels, die dem Suchenden unbekannt sind
  • Angaben wie „Gerade verpasst. Unser letztes Zimmer wurde heute ausgebucht.“ evozieren Gefühle wie Enttäuschung und Frustration
  • Live-Aktualisierung der Filter verhindert reibungslose Orientierung auf der Seite:

Live-Aktualisierung der Filter: Was unsere RapidUsertesterin (28) sagt: „Ich find es nicht so toll, dass da immer gleich der Suchlauf losgeht, aber gut…“

Zusätzlich konnten wir in unserem Desktop-Test einen kritischen Conversion-Knackpunkt identifizieren: Nutzer, die im Checkout das Pop-Up-Fenster „Diese Unterkunft wurde gebucht: Gerade eben!“ sehen, interpretieren diese Meldung fehl: Sie glauben die Unterkunft sei ausgebucht und brechen den Vorgang ab.


Abb.: Conversion-Knackpunkt: Tester brechen den Buchungsvorgang nach dieser Meldung ab

Und trotzdem: Als marktführender Reise-Booker scheint sich die Conversion-Rate von booking.com auf einem beachtlich hohem Level zu halten. Aber wieso?

Finding the sweet spot

Stellen wir uns Usability und die Conversion-Rate einmal als Vier-Felder-Tafel vor: Der Quadrant links unten (3) vereint hierbei den Negativpol beider Konstrukte, das Feld rechts oben (1) repräsentiert einen User, der aufgrund seines positiven Nutzererlebens zum Kunden wird – und gern wiederkommt:

Abb.: Vier-Felder-Tafel: Das Zusammenspiel von Usability und Conversion-Rate

Und obwohl wir als UX-Agentur den Nutzer und sein Erleben jeden Tag in den Fokus unserer Arbeit rücken, kennen wir auch die wirtschaftlichen Herausforderungen eines Unternehmens. Unsere Auswertung und Beratung fokussiert sich demnach nicht starr auf den High-Usability-Quadranten (2), in dem eine integrierte Kündigungsmöglichkeit während des Registrierungsvorgangs eine typische Konzeptionsempfehlung sein könnte.
Wir wissen, dass Nutzer- und Businessanforderungen ständig gegeneinander abgewogen, sowie mögliche Gestaltungsvarianten A/B-getestet werden müssen.
Booking.com scheint diese zwei Interessen erfolgreich auszutarieren, indem sie zwar viele Maßnahmen zur Conversion-Rate-Steigerung einsetzen, aber an verschiedensten Stellen auch die Kundenzufriedenheit messen und so das Ausmaß an eingesetzten Persuasivtechniken maximal ausreizen können. Einfache, vom Kunden ausgefüllte Smiley-Skalen – oder, ganz klassisch, der NPS – liefern regelmäßiges Feedback zur Zufriedenheit und schützen davor, in den rechten unteren Quadranten (Manipulation) zu rutschen.

Ableitungen für dein Trade-Off-Dilemma

Rufen wir uns noch einmal Unterschiede und Gemeinsamkeiten ins Gedächtnis: Während es das geteilte Ziel von Usability und Conversion-Optimierung ist, Besucher zu Kunden zu machen, bedienen sie sich doch unterschiedlicher Strategien.
Optimierte Usability  erhöht die Geschwindigkeit und subjektive Qualität des Nutzererlebnisses, indem Verhaltenstendenzen vorhergesagt werden (Kundenanforderungen). Angenehme Erfahrungen führen zu erhöhter Autorität sowie Kundenbindung, wodurch Markenbildung  und kompetetive Aufstellung positiv beeinflusst werden.
Conversion-Optimierung zielt darauf ab, Nutzerverhalten so zu beeinflussen, dass möglichst jeder Besucher zum Kunden konvertiert (Businessanforderungen). Sie liefern hier also die richtige Lösung für ein bestehendes Zielgruppenproblem – und zwar zur richtigen Zeit. 

Experten-Tipp:

Definieren Sie sowohl Ihren individuellen IST-Zustand als auch Ihre Prioritäten und tasten Sie sich so an das Ausbalancieren der Kunden- und Businessanforderungen.

Überprüfen Sie regelmäßig Ihre Entscheidungen – oder lassen Sie sich durch geschulte Fachkräfte beraten. UX-Spezialisten sind in der Lage, verschiedenste Faktoren in Ihre Lösungsgleichung einfließen zu lassen. Potentiale und Risiken können beispielsweise in Abhängigkeit der Bekanntheit eines Unternehmens eingeschätzt werden:

  • Kleine Unternehmen können mit hohen Konversionsraten zunächst einen gewissen Umsatz generieren.
  • Die (teilweise) Missachtung von Usability-Prinzipien kann sich jedoch negativ auf die Markenbildung auswirken.

Darüber hinaus können spezialisierte Usability-Berater Einblick darüber geben, wie der Nutzer-Funnel aussieht und an welcher Stelle was (UX vs. CR) aufgrund welcher menschlicher Verhaltenstendenzen wichtiger ist:

  • Ist die Usability zu Beginn des Booking-Vorgangs gut, kann es trotz späterer schlechterer UX oder aufdringlichen Persuasivtechniken zur Konversion kommen. Warum? Der Mensch unterliegt seiner natürlichen Tendenz zur Vervollständigung unfertiger Handlungen (engl.: completion tendency). 

Die Infos im Überblick:

Was bei der Abwägung von Usability und Conversion-Optimierung zu beachten ist

  • Definiere sowohl deine Ziele als auch Prioritäten. Ruf dir dabei sowohl Markenwerte als auch Kommunikationsprinzipien ins Gedächtnis.
  • Setze sämtliche Business- und Nutzeranforderungen ins Verhältnis und teste deine Lösungsansätze iterativ, um dem Sweet Spot näher zu kommen. Unterscheide hierbei zwischen Neu- und Bestandskunden-Konversion: Während gute Usability tendenziell die Kundenbindung und damit die Bestandskunden-Konversion erhöht, verhilft Conversion-Optimierung eher kurzfristig dazu, einen Nutzer A zu einem bestimmten Zeitpunkt x in einer bestimmten Situation y in einen Kunden zu verwandeln.
  • Für das tatsächliche Erlebnis des Nutzers ist beides wichtig: Sowohl Usability- als auch Conversion-Optimierungs-Techniken. Erfolgsfaktoren individueller Lösungen sind jedoch noch andere, wie z. B. die Bekanntheit des Unternehmens: booking.com z. B. gilt allgemein als großes und vor allem weitläufig bekanntes Portal.
  • Die bestmögliche Balance (denn: die perfekte gibt es nicht) zeichnet sich durch den Einbezug etwaiger Faktoren sowie eine positive Kosten-Nutzen-Gleichung deiner Umsetzungen aus. Bei Bedarf sollten professionelle Beratungsangebote in Anspruch genommen werden, um keine Einflussfaktoren ungeachtet zu lassen.

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